Gemeinnützige Bauträger, Genossenschaften & Co und deren Pflichten
22.04.2013

Ein Leser des IDEEnzirkels hatte folgende Frage, womit er diesem Artikel den nötigen Anstoß verlieh:

>>Mich würde prinzipiell interessieren, welche Pflichten z. B. eine Genossenschaft gegenüber dem Mieter wahrnehmen muss, bzw. welche Rechte der Mieter hat. Auch auf Leitungen und Rohre bezogen *hm* spannendes Thema!<<

1. Allgemein

Wir dürfen uns auf die letzte Aussage beziehen: Tatsächlich ein sehr spannendes Thema! Wir bedanken uns für die Frage!
Das Thema ist ein sehr umfangreiches und wir hoffen, in dieser Ausarbeitung auf die wesentlichsten Fragen einzugehen. Andernfalls stellen wir uns gerne einer ausführlichen Diskussion.

Da dieses Thema Mietwohnungen (bei Genossenschaften „Wohnungen mit Nutzungsrechten“) betrifft, eine kurze Definition einer Miete:
Miete bezeichnet die Überlassung zum Gebrauch, bei einer Wohnung also zur Wohnnutzung. Der Mieter ist dabei verpflichtet, ein angemessenes Entgelt für den Gebrauch zu bezahlen. Das unterscheidet sich von der Leihe, die Unentgeltlichkeit voraussetzt (für einen als Leihwagen definiertes KFZ dürfte folgerichtig kein Entgelt für den Gebrauch verlangt werden).

2. Gesetzliche Grundlagen

Das Wohnrecht in Österreich wird im Grunde durch ein paar Bundesgesetze geregelt. Dabei gilt es, die Hierarchie der Gesetze zu beachten.
Basis des gesellschaftlichen Zusammenlebens ist das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB). Solange es keine spezielleren Gesetze gibt, ist das ABGB heranzuziehen.
Das Wohnrecht unterliegt aber größtenteils einer speziellen Regelung. So wird die Wohnungsmiete im Mietrecht (MRG) geregelt, das Wohnungseigentum im Wohnungseigentumsgesetz (WEG).
Welche Eigenschaft der Eigentümer und damit bei Mietwohnungen der Vermieter besitzt, ist dabei unerheblich. Es ist demnach gleichgültig, ob der Vermieter eine natürliche Person ist (Privatperson) oder ein Unternehmer, ein Fond, (gemeinnütziger) Bauträger, eine Genossenschaft, etc. Jeder unterliegt den gleichen gesetzlichen Grundlagen. Dasselbe gilt natürlich auch in der anderen Richtung, wenn beispielsweise der Mieter ein Unternehmer ist. Unterschiede gibt es dabei lediglich in tangierenden Richtlinien, beispielsweise im Konsumentenschutzgesetz (KSchG). Für die Fragestellung hat dies jedoch keine Relevanz.
Einen deutlich größeren Einfluss haben jedoch Fördergesetze, da gemeinnützige Bauvereinigungen und auch Genossenschaften größtenteils mit Fördergeldern Wohnbauten errichten. Daher sind das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG – Bundesgesetz) sowie die jeweiligen Landesgesetze (in Wien das Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz – WWFSG) heranzuziehen.
Mietet man eine Wohnung einer solchen Bauvereinigung merkt man das bereits vor Mietbeginn, da ein Bau- und Grundkostenanteil zu entrichten ist. Bei Genossenschaften wird dieser Beitrag oft als Genossenschaftsanteil bezeichnet, wobei dieser Begriff falsch ist (wie auch die Bezeichnung ‚Genossenschaftswohnung’, wenn der Vermieter ein gemeinnütziger Bauträger ist). Auch bei Genossenschaften handelt es sich um Bau- und Grundanteile. Der Genossenschaftsbeitrag ist de facto ein Mitgliedsbeitrag bei der Genossenschaft. Dieser übersteigt üblicherweise nicht die € 100,- Marke und ist vom Bau- und Grundkostenbeitrag zu unterscheiden.

Alle Gesetze sind öffentlich einsehbar und online beim Rechtsinformationsservice des Bundeskanzleramtes abrufbar.

3. Rechte und Pflichten von Mietern (Nutzern) einer Genossenschaftswohnung

Der größte Unterschied zur ‚normalen’ Miete betrifft die Zusammenstellung der Kosten, sei es die Miete bzw. das Nutzungsentgelt, aber auch die Kosten zu Beginn. Eine gemeinnützige Bauvereinigung ist nicht auf Gewinn ausgerichtet und hat daher entsprechend gesetzlicher Vorgaben Wohnungen zu errichten (beispielsweise darf ein Grundstück einen gewissen Geldbetrag/m² Wohnfläche nicht überschreiten). Die Kosten für den Mieter werden dabei streng nach Richtlinien berechnet. Eine Genossenschaft darf hingegen Gewinne nur im Sinne der Genossenschaftsmitglieder erwirtschaften. Genossenschaften sind daher größtenteils ebenfalls auf Gemeinnützigkeit ausgelegt.

Wir wissen nun, dass dem Eigentümer die gesamte Liegenschaft inkl. des darauf errichteten Gebäudes gehört – natürlich auch die Wohnungen (auf die Ausnahmen „Baurecht“ und „Superädifikat“ wird in diesem Rahmen nicht eingegangen). Der Mieter ist ‚lediglich’ Nutzer einer dieser Wohnungen.
§14a WGG definiert die Erhaltungspflichten des Vermieters. Er ist verpflichtet, die Wohnungen >>im jeweils ortsüblichen Standard zu erhalten und erhebliche Gefahren für die Gesundheit der Bewohner zu beseitigen.<<

Folgende Erhaltungsmaßnahmen werden gesetzlich und taxativ aufgezählt:
- die Arbeiten, die zur Erhaltung der allgemeinen Teile der Baulichkeit erforderlich sind;
- die Arbeiten, die zur Erhaltung der Wohnungen, […] erforderlich sind; diese Arbeiten jedoch nur dann, wenn es sich um die Behebung von ernsten Schäden der Baulichkeit oder um die Beseitigung einer vom Miet- oder sonstigen Nutzungsgegenstand ausgehenden erheblichen Gesundheitsgefährdung handelt oder wenn sie erforderlich sind, um eine zu vermietende Wohnung, […] in brauchbarem Zustand zu übergeben;
- die Arbeiten, die zur Aufrechterhaltung des Betriebes von bestehenden, der gemeinsamen Benützung der Bewohner dienenden Anlagen, wie im besonderen von zentralen Wärmeversorgungsanlagen, Personenaufzügen oder zentralen Waschküchen erforderlich sind, es sei denn, dass alle Mieter oder sonstigen Nutzungsberechtigten der Baulichkeit für die gesamte Dauer ihres Miet- oder sonstigen Nutzungsvertrages auf die Benützung der Anlage verzichten; ist die Erhaltung einer bestehenden Anlage unter Bedachtnahme auf die Kosten der Errichtung und des Betriebes einer vergleichbaren neuen Anlage wirtschaftlich nicht vertretbar, so ist anstelle der Erhaltung der bestehenden Anlage eine vergleichbare neue Anlage zu errichten;
- die Neueinführungen oder Umgestaltungen, die kraft öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen vorzunehmen sind, wie etwa der Anschluss an eine Wasserleitung oder an eine Kanalisierung, die Installation von geeigneten Schutzvorrichtungen für die Energieversorgung oder von Geräten zur Feststellung des individuellen Energieverbrauchs;
- die Installation von technisch geeigneten Gemeinschaftseinrichtungen zur Senkung des Energieverbrauchs oder die der Senkung des Energieverbrauchs sonst dienenden Ausgestaltungen der Baulichkeit, von einzelnen Teilen der Baulichkeit oder von einzelnen Wohnungen oder Geschäftsräumen, wenn und insoweit die hiefür erforderlichen Kosten in einem wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis zum allgemeinen Erhaltungszustand der Baulichkeit und den zu erwartenden Einsparungen stehen;
- […]

Diese Arbeiten sind vom Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag zu decken. Falls diese Beträge nicht ausreichen, können die Kosten auf die Mieter umgelegt werden (= Erhöhung des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages). Das muss jedoch seitens des Gerichts genehmigt werden, wobei hier auch die wirtschaftliche Situation jedes Mieters herangezogen wird.

Die ersten beiden Punkte bedürfen nun einer genaueren Betrachtung.

Der Vermieter ist verpflichtet, die Wohnung zu erhalten, jedoch nur in diesem Ausmaße, dass ernste Schäden des Bauwerkes verhindert werden sowie die Gesundheit von Menschen geschützt wird. Ein Verzicht des Mieters ist rechtlich ungültig. Um einen ernsten Schaden des Hauses handelt es sich dann, wenn das Mietobjekt zum bedungenen Gebrauch nicht mehr ausreicht. Ernste Schäden sind unter anderem [OGH 1Ob589/94]:
- Feuchtigkeitsschäden in Wänden oder Fußböden;
- Herabgefallene Teile des Decken- oder Wandverputzes;
- Schäden an Strom-, Gas- und Wasserleitungen und an im Mauerwerk befindlichen Zu- und Abflussleitungen für Klosette;
- Fehlender Fußboden (Achtung hier für den Bauträger: Der Mieter kann auf einen Fußboden (rechtlich) nicht verzichten!);
- Nicht geschlossener Mauerputz.
Eine vom Mietgegenstand ausgehende erhebliche Gesundheitsgefährdung (dabei ist ‚erheblich’ auf die Gesundheitsgefährdung, nicht aber auf den Aufwand der Beseitigung bezogen – [OGH 5Ob173/10t; 5Ob175/10m; 5Ob174/10i]) ist unter anderem in folgenden Fällen gegeben:
- Schlechte Elektroinstallationen, z.B.: fehlen eines Fehlerstromschutzschalters);
- Verunreinigtes Trinkwasser (Z.B.: Bleigehalt, wobei eine Vorlaufzeit von ca. 1 Minute als angemessen erachtet wird; auch gilt zu prüfen, ob die Bleileitung im Wohnungsverband liegt oder in der Haussteigleitung – zu beheben wäre es allemal, im letzteren Fall jedoch nicht wegen „vom Mietgegenstand ausgehender Gesundheitsgefährdung“).

Ganz allgemein sind aber, vgl. Punkt 1, die allgemeinen Teile des Hauses zu erhalten. Zu den allgemeinen Teilen des Hauses zählen unter anderem die Außenhaut, also Dach und Fassaden, sowie Stiegenhäuser, Höfe, Gänge, etc. Das bedeutet aber auch, dass wohnraumbildende Konstruktionen teilweise zum allgemeinen Teil des Hauses zählen. Unter anderem sind das folgende:
- Wohnungsaußenwände, Decken inkl. der darin laufenden Leitungen;
- Wohnungseingangstüren;
- Fenster (Achtung bei Holzkastenfenster: die Außenflügel, nicht aber die Innenflügel).

4. Zusammenfassung:

Genossenschaften, sofern diese Fördergelder für die Errichtung von Wohnbauten verwenden, sowie gemeinnützige Bauträger unterliegen in erster Linie einer strengen gesetzlichen Kontrolle bei der Gestaltung der Kosten, die deren Mieter/Nutzer zur Anmietung einer geförderten Wohnung zu leisten haben. Ansonsten treffen diese Bauvereinigungen dieselben rechtlichen Grundlagen wie ‚herkömmliche’ Bauträger. Gerade Förderrichtlinien verweisen dabei auf das MRG und machen viele Bereiche dieses Gesetzes verbindlich, selbst wenn das Bauwerk an sich nicht unter das MRG fallen würde.

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