Wer steht in Wien unter besonderem Schutz?
23.07.2013

Kinder?
Sozial Schwache?
Tiere?

Genau … der Baum!

Heute wollen wir uns beim IDEEnzirkel dem Wiener Baumschutzgesetz widmen und gleich zu Beginn ein paar Hoffnungen zerstören: der eingeschlagene, rostige Nagel hat nur den einen Vorteil, barfüßig nicht mehr drauf steigen zu können um anschließend mit Blutvergiftung ins Spital zu fahren!

Wir legen beim aktuellen IDEEnzirkel den Fokus auf den privaten Bereich (Ja, auch am eigenen Grundstück gilt das Baumschutzgesetz!).

Was ist also zu tun, wenn ein Baum weg soll:

1. Ist der Baum überhaupt geschützt?

Unter anderem darf man folgenden Bäumen beherzt mit dem sogenannten ‚Fichtenmoped’ alias Kettensäge zu Leibe rücken: Obstbäume sowie Bäume, die in Kleingartenanlagen stocken.

2. Messen des Umfanges!

Messen Sie einen Meter oberhalb der verzweigenden Wurzel den Umfang (wie beim Schneider mit dem Maßband einmal um den Baum herum). Stellen Sie einen Wert von weniger als 40cm fest, dann können Sie den Benzinstand der oben angeführten Kettensäge überprüfen, der Baum darf auch in diesem Fall weg.

3. Den Baum stehen lassen!

Unterliegt der Baum dem Wiener Baumschutzgesetz, ist die günstigste Variante, den Baum einfach stehen zu lassen, um sich im Sommer den Schatten auf den Bauch scheinen zu lassen.
Was aber, wenn er unbedingt weg muss?
Es ist erlaubt, aber nur im „unumgänglich notwendigen Ausmaß“:

4. Behördliche Genehmigung einholen!

Eine Bewilligung erhalten Sie, wenn
- die Altersgrenze des Baumes (nach Art und Standort) erreicht ist oder der Weiterbestand nicht mehr gesichert ist;
- der Baum andere Bäume beim Weiterbestand gefährdet;
- der Baum Sachen, fremdes Eigentum oder Personen gefährdet (und diese nicht anders geschützt werden können);
- die mögliche Bebaubarkeit des Grundstückes durch den Bewuchs gefährdet ist, wobei maximal 20% (bei Bauklasse I und II, offen oder gekuppelte Bauweise) gerodet werden sollte (die Formulierung „… dass grundsätzlich höchstens 20% …“ klingt aber sehr verdächtig nach Verhandelbarkeit);
- auf Grund anderer gesetzlicher Bestimmungen der Eigentümer den Baum entfernen muss.

Den Antrag können folgende Personen (gleich ob natürlich oder juristisch) stellen:
- Eigentümer;
- Bauberechtigter (im Falle eines Baurechtes);
- Bestandnehmer (z.B.: Pächter), aber Achtung: andere zivilrechtliche Verpflichtungen sind zu beachten (wenn beispielsweise der Verpächter die Entfernung untersagt).

Welche Angaben sind im Antrag zu machen (und das gleich einmal in 4-facher Ausfertigung):
- Art des/der Baumes/Bäume;
- Anzahl;
- Baumumfang entsprechend oben angeführtem ‚Messen des Umfanges’.

Achtung: Die Rechtskraft des Bescheides ist abzuwarten (siehe Angabe im Bescheid). Das heißt, nach Erhalt des positiven Bescheides darf noch NICHT begonnen werden, die Bäume zu fällen!


Die Ersatzpflanzung:

Eines vorneweg: Umpflanzung ist natürlich auch erlaubt, sofern der Gepflanzte (hier ist der Baum gemeint, nicht der Antragsteller) jetzt und künftig keinen Schaden nimmt.

Wir dürfen nun aber den Baumbestand entsprechend des Bescheides entfernen. Wird der Baum entfernt, weil er seine Altersgrenze erreicht hat, Sachen, fremdes Eigentum oder Personen gefährdet oder wegen anderer gesetzlicher Bestimmungen zu entfernen ist, dann ist dieser Baum 1:1 zu ersetzen, wobei im letzteren Fall sogar sein kann, dass keine Ersatzpflanzung vorgenommen werden muss.

In allen anderen Fällen zahlt es sich aus, dass wir in der Unterstufe in Mathematik aufgepasst haben.
Wir nehmen das Messergebnis der Umfangmessung (siehe oben) und teilen es durch 15cm. Dieser Wert ist auf eine ganze Zahl aufzurunden. Der dadurch erhaltene Wert ergibt die durchzuführende Ersatzpflanzung (Anzahl der Ersatzbäume). Nimmt man den Wortsinn des Gesetzes, ist diese Methode bei jedem einzelnen, zu entfernenden Baum anzusetzen.

Kleines Beispiel gefällig:
Wir haben 3 Bäume (die leider keine Früchte tragen):
- Baum 1: 38cm
- Baum 2: 73cm
- Baum 3: 102cm

Baum 1 darf soundso entfernt werden, da dieser weniger als 40cm Umfang aufweist.
Baum 2: 77cm/15cm = 5,13 => 6 Ersatzbäume
Baum 3: 106cm/15cm = 7,07=> 8 Ersatzbäume
In Summe sind also 6+8 = 14 Ersatzbäume zu pflanzen.

Nicht akzeptiert ist demnach folgende Berechnung:
77cm (Baum 2) + 106cm (Baum 3) = 183cm/15cm = 12,20 => 13 Ersatzbäume

Wer nun auf die IDEE kommt, eine Bonsai-Allee zu pflanzen, hat die Rechnung ohne die Behörde gemacht. Zu pflanzen ist nämlich ein Ersatzbaum mittlerer Baumschulqualität. Glücklicherweise erklärt uns der Gesetzgeber, was damit gemeint ist: ein Baum mit 8cm bis 15cm Stammdurchmesser.

Da nun einmal ein durchschnittliches, leistbares Wiener Grundstück eher in Quadratmeter anstelle von Hektar angegeben ist, werden wir die 3 oben angeführten Bäume schwer durch nun 14 Bäume – wenn auch mit kleinerem Umfang – ersetzen können (abgesehen davon, dass auch diese wachsen werden, sofern es der rechtschaffende Ersatzpflanzer zulässt – dazu später mehr).
Daher dürfen wir die Ersatzpflanzung, die wir auf dem eigenen Grundstück nicht unterbringen, im Umkreis von 300m – auch auf fremdem Grundstück – durchführen. Die Erlaubnis des entsprechenden Grundeigentümers ist der Behörde nachzuweisen.

Da die Behörde aber auch kein Unmensch ist, hilft sie dem an der Ersatzpflanzung scheiternden Bürger, indem sie die Pflanzung auf einem Grundstück der Stadt Wien in maximal 300m Entfernung durchführt. Dabei ist lediglich ein kleiner Unkostenbeitrag von aktuell (22.07.2013) € 1.090,- zu bezahlen. Natürlich pro Ersatzbaum. Trotzdem gehört der Ersatzbaum der Allgemeinheit, und wird nicht zum Privat-WC des Hundes des Ersatzpflanzungszahlers.

Listige Bewilligungsträger (so der richtige Wortlaut des Ersatzpflanzers) könnten nun 14 Obstbäume pflanzen, um diese im Anschluss bewilligungsfrei zu entfernen. Auch das ist leider nicht erlaubt. Ganz im Gegenteil: die Bäume sind über 5 Jahre zu Hegen und Pflegen und im Falle eines Anzeichens einer Schädigung ist auch dieser Baum ein weiteres Mal zu ersetzen. Einzige Chance besteht nur darin, dass der Ersatzbaum nach 5 Jahren keinen Umfang von 40cm aufweist, denn darauf geht das Baumschutzgesetz nicht ein.
ACHTUNG: Das Gesetz definiert lediglich die Aufforderung zur Umpflanzung als dingliche, also am Grundstück liegende, Verpflichtung, womit diese mit dem Übertragen des Grundstückes auf eine andere Person auch auf diese übergeht. Vice versa müsste das für den Ersatzpflanzer als Antragsteller bedeuten, dass er Verpflichteter bleibt, bis die Verpflichtung erfüllt ist – gleich, ob das Grundstück mit dem Baum den Eigentümer wechselt.

Wird nach der Ausstellung des Bescheides auf die Entfernung der Bäume verzichtet, wurde aber eine Ausgleichsabgabe bezahlt, dann bekommt man diese Zahlung zurück. Freilich zinsfrei. Wird jedoch bis zum Ende des dem Verzicht folgenden Jahres die Rückzahlung nicht geltend gemacht, darf man sich beim nächsten Stammtisch als Gönner der Stadt Wien bezeichnen, denn dann erlischt der Rückzahlungsanspruch.

Richtig grauslich wird es, wenn man einfach Mal bloß so Bäume zu fällen beginnt. Die Behörde stellt in diesem Fall einen Bescheid ohne Ermittlungsverfahren aus, in dem die Einstellung dieser Fällung vorgeschrieben wird. Dazu hat man auch noch mit einem Strafverfahren zu rechnen.
Vorsicht ist auch geboten, wenn der Baum im Rahmen eines Bauvorhabens entfernt werden soll. In diesem Fall darf der Baum erst nach einer Baubeginnsanzeige entsprechend der Wiener Bauordnung entfernt werden.

Nun aber zu den geschmalzenen Sanktionen:
Wer beispielsweise mehr als 20 Bäume illegal entfernt, der sieht bis zu 6 Monate keine Bäume mehr. So lange kann die damit verbundene Freiheitsstrafe andauern!
In allen anderen Fällen ist es nur halb so schlimm, da lediglich bis zu € 42.000,- an Strafe zu zahlen ist. Auch die Ersatzhaftstrafe von maximal 6 Wochen fällt entsprechend mild aus! Im Rahmen einer Bauführung trifft das auch den beauftragten Bauführer, sofern er seine Sorgfaltspflicht verletzt.
Nachsatz zum Schmunzeln: wird man aus dem Gefängnis entlassen, darf sofort mit der Ersatzpflanzung begonnen werden, da diese Verpflichtung natürlich nicht verfällt!

Also: sicherheitshalber vor Entfernung eines Baumes die Behörde befragen. Auch wenn eine Haftstrafe eher theoretischer Natur ist, mit saftigen, richtig harzigen Strafen ist jedenfalls zu rechnen!



Nun aber noch ein versöhnlicher Tipp für Personen, die ohne Ersatzpflanzungsaufforderung einen Baum pflanzen wollen: Aus dem Topf der Ausgleichsabgaben können Zuschüsse für Baumpflanzungen gewährt werden. Einfach bei der Gemeinde Wien anfragen:

http://www.park.wien.at/
1030 Wien, Johannesgasse 35
+43 1 4000 8042




Haben Sie Fragen zu diesem oder einem anderen Thema? Bitte scheuen Sie sich nicht und richten Sie Ihre Fragen an den IDEEnzirkel – wir sind uns um keine Antwort verlegen!


Ihr Team der IDEEgroup.


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